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Stellungnahme zum Antragsentwurf für das Wasserstoff-Kernnetz

Wir bedanken uns für die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Green-Paper Transformation Gas-/Wasserstoff-Verteilernetze, von der wir gerne Gebrauch machen. Wir weisen darauf hin, dass mit Blick auf die Ostertage und die Komplexität der Materie, die Rückmeldefrist zu knapp bemessen war.

Wir bewerten das vorliegende Papier äußerst kritisch, da es sich ausschließlich auf den Rückbau und die Stilllegung der Verteilnetze konzentriert. Ansätze für Rahmenbedingungen zum notwendigen Aufbau und Betrieb von Wasserstoffverteilnetzen bleibt es schuldig und ignoriert die Bedarfe der Industrie, insbesondere des industriellen Mittelstands, sowie eine mögliche Nutzung des Netzes als Speicher. Darüber hinaus geht das Papier teilweise von Annahmen aus, die nicht der aktuellen Studienlage entsprechen und widerspricht dem erst kürzlich von der BNetzA genehmigten Netzentwicklungsplan Gas (NEP-Gas) 2022-2023.

Das Green-Paper des BMWK geht den zweiten Schritt vor dem ersten.  Es ist zwar richtig, dass zukünftig weniger Gas verbraucht wird und darum auch die Stilllegung der nicht mehr benötigter Infrastruktur thematisiert werden sollte; gleichwohl lässt das BMWK entscheidende Punkte außer Acht: Noch kann nicht seriös abgeschätzt werden, wie hoch der Bedarf an Wasserstoff, Biomethan und weiteren grünen Molekülen sein wird, da der Markthochlauf für  Technologien basierend auf diesen Energieträgern gerade erst begonnen hat. Die vorhandene Infrastruktur der Gasverteilnetze ist entscheidend für den Erfolg der Transformation und das Erreichen der Klimaziele. Der alleinige Fokus des Green-Papers auf Stilllegungen und Rückbau der Gasverteilnetze ist daher kontraproduktiv und gefährdet den Aufbau von Alternativen. Es bedarf stattdessen eines Rahmens für die Transformation des bestehen Gasverteilnetzes analog zum Wasserstoff-Kernnetz der Fernleitungsnetzbetreiber, um insbesondere der mittelständischen Industrie abseits des Kernnetzes den Schritt zur Defossilisierung ihrer Prozesse zu ermöglichen.

Es ist fragwürdig, dass das Green Paper diesen Aspekt nicht berücksichtigt, nicht zuletzt, da der erst am 20. März 2024 durch die BNetzA genehmigte NEP-Gas die bestehende Gasinfrastruktur auf Fern- und Verteilnetzebene als „das Rückgrat für eine schnelle und sozialverträgliche Erreichung unserer ambitionierten Klimaziele“ bezeichnet.[1]

Darüber hinaus wird in dem Papier mit teils fragwürdigen Annahmen gearbeitet. So heißt es bereits in der Einleitung, das Gasnetz sei nur mit „teils hohem Aufwand“ für den Transport von Wasserstoff umrüstbar. Dies ist mindestens eine Verzerrung: Eine Studie des DVGW[2] belegt, dass Leitungen des Gasnetzes in Deutschland für ungefähr 30 Milliarden Euro umrüstbar wären. Dieser Summe stehen Kosten von knapp 430 Milliarden Euro gegenüber, die für den Ausbau der Stromverteilnetze angenommen werden. Alternativen zum Erdgas, wie Biogas, synthetisches Gas oder Wasserstoff, können die vorhandene Infrastruktur der Gasverteilnetze entweder direkt oder mit geringem Aufwand nutzen. So kann ein auf regenerativem Strom beruhendes Energiesystem notwendig und sinnvoll ergänzt, die Klimaziele erreicht und Wertschöpfung erhalten werden.

Das Green-Paper geht zudem davon aus, dass Industrie und Gewerbe im Regelfall auf eine Elektrifizierung umstellen werden. Dies erscheint jedoch zweifelhaft: Der Transformationspfad ist je nach Unternehmen individuell und ist abhängig von den jeweiligen Prozessen, technischer Umsetzbarkeit und bestehender lokaler Infrastruktur. Hinzu kommt, dass Großwärmepumpen in vielen Industrien noch nicht ausreichend erprobt sind und Elektrodenkessel vielfach neue Herausforderungen an das Prozesswasser stellen. Eine Umstellung auf „Grüne Gase“ lässt sich dagegen häufig kurzfristiger und mit deutlich geringerem Aufwand bewerkstelligen.

Die bestehende Gasinfrastruktur spielt bei der Transformation eine entscheidende Rolle: Unternehmen haben teilweise erst kürzlich in Gasanschlüsse investiert, im Vertrauen darauf, diese unbefristet nutzen zu können. Eine Stilllegung stellt dabei einen Eingriff in den Bestandsschutz dar. Auf viele Betriebe werden signifikante Zusatzkosten zukommen, wenn Gasanschlüsse nicht mehr genutzt werden können. Aus Sicht der Unternehmen sollten Mehrkosten im Vergleich zu einem alternativen Szenario „Weiterbetrieb des Gasnetzes, z. B. durch Einsatz von Biogas“, von der öffentlichen Hand ausgeglichen werden. Andernfalls wären die Transformation der einzelnen Unternehmen und schlimmstenfalls sogar die Standorte gefährdet.

Viele mittelständische Unternehmen liegen nicht unmittelbar am geplanten Wasserstoff-Kernnetz. Um die Versorgung dieser Industriestandorte sicherzustellen, müssen auch die notwendigen Infrastrukturen auf der Verteilnetzebene geschaffen werden. Nur wenn diese Infrastrukturen parallel zum Kernnetz aufgebaut werden, kann der Industrie die dringend benötigte Perspektive gegeben werden, um die für den Erhalt der Standorte notwendigen Investitionsentscheidungen zu treffen.

Die Verteilnetzbetreiber haben deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich bereit sind, die Investitionen in ihre Netze vorzunehmen; sei es zur Ertüchtigung des Bestands oder zum Bau von Stichleitungen zur Versorgung von Industriestandorten, die frühzeitig auf Wasserstoff umstellen wollen. Diese Investitionen seitens der Verteilnetzbetreiber können jedoch derzeit nicht in die Wege geleitet werden, da der hierzu unabdingbare regulatorische Rahmen fehlt.

So fehlen, wie bereits erwähnt, Regelungen für Betrieb und Finanzierung der aufzubauenden Wasserstoffnetze für die Verteilnetzebene, wie sie für die Fernnetzbetreiber in der jüngsten Novelle des EnWG beschlossen wurden. Die hier geschaffenen Rahmenbedingungen müssen dringend analog auf die Verteilnetzebene übertragen werden, damit auch hier der Aufbau der notwendigen Infrastruktur beginnen kann.

 

[1] https://fnb-gas.de/wp-content/uploads/2024/03/2024_03_20_NEP-2022_Gas_FINAL_DE.pdf abgerufen am 12.04.2024

[2] https://www.dvgw.de/medien/dvgw/forschung/berichte/g202006-sywesth2-staehle.pdf abgerufen am 12.04.2024

 

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