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Wirtschaftsregion befürchtet massive Nachteile für die Papierindustrie

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier kostet bereits mehr als 10.000 Arbeitsplätze. „Durch aktuelle Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums sind jetzt rund 10.000 weitere Jobs in der heimischen Papierindustrie und ihren Zulieferbetrieben gefährdet“, warnt Michael F. Bayer (3. v. l.), Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen, und fordert deshalb gemeinsam mit Bundestagsabgeordnetem Thomas Rachel (4. v. l.), Dr. Stefan Cuypers (1. v. l.), Geschäftsführer der Vereinigten Industrieverbände (VIV) Düren, und Jens Bröker (5. v. l.) vom Kreis Düren: „Die betroffenen Unternehmen benötigen dringend Zugang zu grünem Wasserstoff, um sich zukunftssicher aufzustellen.“

Im Zuge der Energiewende sollen nach dem Wunsch der Politik möglichst viele Industriebereiche elektrifiziert werden, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. „Das wird in der Papierindustrie – anders als vom Bundeswirtschaftsministerium beabsichtigt – nicht funktionieren“, betont Bayer und verweist auf ein aktuelles Gutachten, beauftragt vom Wasserstoff-Netzwerk Hydrogen Hub Aachen, das heute während einer gemeinsamen Pressekonferenz in Düren vorgestellt wurde: Die IHK Aachen, der VIV Düren und der Kreis Düren fordern als Konsequenz, die hiesige Papierindustrie in die Planungen zum deutschen Wasserstoff-Kernnetz aufzunehmen.

Laut dem Gutachten, das von dem international erfahrenen Papier-Experten Dr. Peter Kramp erstellt wurde, ist eine Direktelektrifizierung von Papierfabriken wirtschaftlich nicht darstellbar. „Große Papierfabriken würden bei einer Elektrifizierung ihrer Papiertrocknungsprozesse Strommengen benötigen, die etwa dem jährlichen Verbrauch der Einwohner Kölns entsprechen“, betont Kramp. Aktuell werden diese Strommengen in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen auf Basis von Erdgas am jeweiligen Standort erzeugt. Würden diese Anlagen nicht mehr benötigt, wären Abschreibungen in zweistelliger Millionenhöhe notwendig. Da dann auch das Biogas, das bislang aus eigenen Kläranlagen und Produktionsrückständen gewonnen wird, nicht mehr genutzt werden könnte, wäre zudem ein funktionierender effizienzoptimierter Energie-Kreislauf zerstört. „Durch die aufwändige und kostspielige Entsorgung von bislang gut nutzbaren Produktionsrückständen kämen zusätzliche Kosten zwischen vier bis sechs Millionen Euro pro Jahr auf die jeweils betroffenen Unternehmen zu“, skizziert der Experte die möglichen Folgen.

Ein weiteres Hindernis für die Direktelektrifizierung ist die fehlende Netzinfrastruktur: Die benötigten Strommengen könnten nur über Hochspannungsleitungen bereitgestellt werden, die jedoch nicht an jedem Produktionsstandort vorhanden sind und gegebenenfalls erst gebaut werden müssten. Ein Anschluss an das Hochspannungsnetz würde durch die dann anfallenden Netzentgelte für weitere finanzielle Belastungen der Unternehmen sorgen.

„Die Entscheidungen für die Dekarbonisierung der Industrie auf Bundesebene werden jetzt getroffen. Deshalb ist es unabdingbar, auch die Papierindustrie in den Kreisen Düren und Euskirchen in das Wasserstoff-Kernnetz einzubinden“, betont Bundestagsabgeordneter Thomas Rachel. „In Sachen Wasserstoff ist die Region bereits gut aufgestellt. Der Branchenfokus des Kernnetzes muss nun um Bereiche wie die Papierindustrie unbedingt erweitert werden, sonst sind deren Standorte in unserer Region gefährdet.“

Stefan Cuypers sagt: „Die Papierindustrie benötigt im Verhältnis zu anderen Branchen unbedingt einen diskriminierungsfreien Zugang zum Wasserstoffkernnetz. Viele unserer Mitgliedsunternehmen der Papierindustrie wären schon heute in der Lage, in kurzer Zeit auf Wasserstoff umzurüsten und damit klimaneutral zu produzieren, wenn der Brennstoff in ausreichenden Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar wäre. Bei der aktuellen Planung des Wasserstoffkernnetzes wird aber auch grundsätzlich die große Bedeutung unseres Verbandsgebietes als Industriestandort verkannt. Immerhin sind rund 25.000 Mitarbeiter in unseren Mitgliedsbetrieben beschäftigt. Es kann nicht sein, dass eine zentrale Transportleitung für Wasserstoff unsere Wirtschaftsregion quert, westlich und östlich Ausspeisezonen vorsieht und demgegenüber die Industrieregion Düren-Euskirchen übergangen wird.“

Jens Bröker, Referatsleiter für Wandel und Entwicklung des Kreises Düren, hebt die Bedeutung der Papierindustrie für einen erfolgreichen Strukturwandel vom Braunkohlerevier hin zu einem nachhaltigen Industriestandort hervor: „In der Papierindustrie mit ihren Zulieferern geht es mindestens um weitere 10.000 Jobs in der Region, die wir erhalten wollen. Die zukünftige Versorgung der Branche mit Wasserstoff ist hierfür die Grundlage.“ Bröker verweist auf laufende Gespräche mit den Fernleitungsnetzbetreibern, um zusätzliche Ausspeisepunkte in der Region vorzubereiten. Zugleich appelliert er an Unternehmen, den Netzbetreibern potenzielle Wasserstoffbedarfe zu melden: „Nur wenn klar ist, wo Wasserstoff abgenommen wird, kann auch die Infrastruktur gebaut werden.“

Michael F. Bayer unterstreicht die Bedeutung von grünem Wasserstoff für die gesamte Wirtschaft in der Region: „Wir sehen einen großen Bedarf an Wasserstoff, insbesondere in der Metall- oder Glasindustrie. Die ebenfalls großen Bedarfe der Lebensmittel- oder Papierindustrie werden in den bisherigen Infrastrukturplanungen des Bundeswirtschaftsministeriums jedoch noch nicht berücksichtigt. Und auch die Kupferindustrie ist wegen der Fokussierung auf Stahl und Eisen verunsichert, ob sie Zugang zu grünem Wasserstoff erhält. Das muss sich dringend ändern, um den Strukturwandel erfolgreich zu meistern.“

Foto: IHK Aachen / Sebastian Missel.

Hier finden Sie das Gutachten "Das Wasserstoff-Kernnetz und dessen Bedeutung für die Papierregion Düren-Euskirchen" zum Download:

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